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Cannstatter Wasen bei Nacht

Auch wenn das Wetter heute trüb und verregnet war gab es trotzdem ein paar schöne Gelegenheiten, auf dem Volksfest ein paar interessante Bilder zu machen. Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich mit Stativ dort war, aber es hat sich meiner Meinung nach wieder gelohnt ...

Der Hauptgewinn

Als ich noch ein kleines Kind war, freute ich mich immer, wenn Post für mich kam. Dies kam zwar nicht oft vor, genauer gesagt vielleicht dreimal im Jahr, aber trotzdem schaute ich jeden Tag in den Briefkasten. Was für eine Überraschung war es doch jedesmal, wenn wirklich eine Postkarte oder ein Brief für mich da war. Einmal, ich konnte es kaum glauben, kam sogar Werbung für mich. Wie freute ich mich über meinen ersten Quelle-Brief über "Küchengeräte". Nein, was war ich als Neunjähriger stolz auf diese Post, und wie fühlte ich mich dabei erwachsen. Echte Post für mich!

Später dann, als ich älter wurde, freute ich mich immer noch auf Post und schaute auch täglich in den Briefkasten. Meist war auch etwas für mich dabei, aber die Freude war deutlich nicht mehr so groß wie früher.

Seit nun meine Adresse wie ein stinknormales Handelsgut von Firmen und Gesellschaften gekauft und verkauft wird - und Ihre Adresse mit Sicherheit auch - bekomme ich täglich Unmengen von Post. Nicht, daß ich etwas gegen Briefe oder Postkarten hätte, nein, das bestimmt nicht. Aber ich ärgere mich fast jedes mal über Werbepost. Wie plump wirbt man denn da um mich? Täglich habe ich ein paar Briefe im Briefkasten, bei denen mir schon der Umschlag verrät, daß ich mal wieder 25.000.000 DM gewonnen habe. Natürlich den Hauptpreis. Aber entweder bekommt jeder solche Briefe, oder aber ich bin verflucht wirklich ewig der Gewinner zu sein. Ich tippe aber mehr auf das Erste. Ich habe mir schon ernsthaft überlegt, ob ich die Absender nicht fragen sollte, ob sie mir statt Post zu schicken nur das Porto für diese überweisen könnten. Selbst Rockefeller würde dann vor Neid erblassen. Aber nicht nur schon gezogene Hauptgewinne kommen in mein Haus, sondern auch Lose, Puzzles und Rubbelkarten.

Natürlich paßt mein Puzzle immer, mein Los hat stets die richtige Gewinnummer, und jedes Feld, das ich freirubble, gibt mir selbstverständlich den Hauptgewinn.

Eigentlich könnte ich reich und glücklich sein, aber ich bin es nicht. Reich wird nur die Entsorgungswirtschaft und glücklich die Absender, weil sie neue Adressen zum Handeln und Verkaufen bekommen, denn es soll doch tatsächlich Menschen geben, die diese Taktik nicht durchschauen und die Lose, und was den Werbern sonst noch alles einfällt, zurückschicken, und manche gewinnen sogar wirklich. So wie neulich eine Bekannte von mir. Sie bekam einen wunderschönen Porzelanfingerhut geschickt. Sofort entbrannte meine Habsucht, und ich beantwortete jeden Brief und jede Postwurfsendung, was dazu führte, daß meine Adresse immer weiter verbreitet wurde und ich nun immer mehr Post bekomme.

Gewonnen habe ich noch nichts, aber ich warte ständig weiter. Mittlerweile kommt der gelbe Lastwagen von der Post und setzt mehrere Briefsäcke vor meinem Haus ab. Ich habe meine Stellung gekündigt und beantworte nur noch Briefe. Da nicht alle Firmen das Rückporto für die Antworten übernehmen, bringt der Postbote stets auch mehrere Bögen Briefmarken mit.

Um die Briefmarken kaufen zu können, verkaufte ich mein Haus, mein Auto und sogar meinen Briefkasten, weil ich den ja nicht mehr brauche. So viele Briefe würden eh nicht reinpassen. Ich sitze nun an einem Campingtisch in der Einfahrt meines ehemaligen Hauses, damit sich die Adresse nicht ändert, und beantworte Tag und Nacht Werbepost. Die Heilsarmee bringt mir Mittags einen Teller Suppe, damit ich nicht völlig abmagere, und das rote Kreuz bringt mir für die Wintermonate eine warme Decke.

Vor drei Monaten gewann ich dann nach Jahren des Wartens endlich eine Probe Haarwaschmittel. Ich freute mich so über den Gewinn, daß ich an einem Herzinfarkt starb. Aber ich konnte glücklich auf ein erfülltes Leben zurückschauen.

Wer hat je theoretisch schon so viele Hauptpreise gewonnen wie ich?

verfasst im November 1996, Foto: pixelpart  / pixelio.de

Mettigel auf Melonenschiffchen

War es vor einigen Jahrzehnten für eine gelungene Party noch unerlässlich, der hungernden Gästeschar mit einem Mettigel die Aufwartung zu machen, ist diese kulinarisch fragwürdige Sitte zum Glück schon seit langer Zeit gänzlich in Vergessenheit geraten, wenn nicht sogar in die Verbannung.

Unglücklicherweise scheint auch den Honigmelonenschiffchen mit Parmaschinken ein ähnliches Schicksal beschieden zu sein. Ich persönlich finde zwar, dass Honigmelone in Kombination mit Parmaschinken auf der weltweiten Lecker-Weltrangliste noch immer ganz weit vorne rangiert, doch auch wenn diese Vorspeise in den 90er Jahren kaum in einem sommerlichen Menü fehlen durfte, ist es heute schon ein großer Fauxpas und zieht unweigerlich eine Ächtung der eigenen Person durch die Gästeschaft nach sich, gar so, als würde man beim königlichen Dinner in der White-Lounge Met in Rinderhörnern servieren.

Dabei ist es völlig unverständlich, weshalb die Weltregierung dieses leckere Gericht auf den Index gesetzt hat. Ich finde, an einem warmen Sommertag gibt es kaum etwas erfrischenderes. Ich hänge auch gar nicht unbedingt allzusehr an dem Parmaschinken. Eine vegetarische Variante mit einer Art Fetakäse, die ich in der Türkei kennen und lieben lernen durfte, ist genau so lecker und erfrischend. Aber leider darf man diese Köstlichkeiten nur noch in der verschwiegenen Heimlichkeit der eigenen Wohnung zubereiten, in der Hoffnung, die Nachbarn erlangen keine Kenntnis von der Tat. Ich spürte neulich beim Einkaufen sogar schon die verächtlichen Blicke, als ich nur eine Melone und Parmaschinken zur selben Zeit im Wagen hatte.

In der gerade aktuellen Fassung des Vorspeisen-Knigge scheint dafür Ziegenkäse als zwingend notwendig vorgeschrieben zu sein - selbstverständlich flankiert vom allgegenwärtigen Ruccola. Ich kenne kaum ein Gericht, das in den letzten Jahren nicht mit Ziegenkäse verunstaltet angereichert wurde. Neulich sogar "Mousse au chocolat mit Ziegenfrischkäse". Dabei war Ziegenkäse ursprünglich gar nicht zum Verzehr vorgesehen, er wurde vielmehr zur Abwehr wilder Tiere an die mittelalterliche Stadtmauer aufgetragen - natürlich auf der Außenseite.

Wieso man dieser übelschmeckenden Masse kampflos die Teller überlässt, entzieht sich völlig meinem Verständnis. Geschmacklich kann Ziegenkäse nur jemandem schmecken, der in seiner Entwicklung seine anale Phase (nach Siegmund Freud) noch nicht abgeschlossen hat. Oh, oh, jetzt habe ich die gesamte Leserschaft gegen mich aufgebracht. Doch seien wir einmal ehrlich: geschmacklich ist es deutlich näher an der in der Nahrungsaufnahmepipeline diametral entgegengesetzten Seite des Mundes.

Doch es gibt einen kleinen Funken Hoffnung: In einigen Jahren wird - toi, toi, toi - auch der Ziegenschnickschnack auf der Liste der "Don't"s landen, und man kann endlich wieder ganz unbeschwert eine beliebige Vorspeise bestellen, ohne befürchten zu müssen, die Ziegenkäsemafia habe auch hier ganz ungeschickt ihre Wunderwaffe ins Rezept eingebracht. Und dann bestelle ich mir und meinem Mettigel eine große Melone mit Parmaschinken, denn das schmeckt einfach wunderbar.

Foto: Dieter Schütz / pixelio.de

Das Software-Paradoxon

Niemand in Deutschland würde einen Arzt eine Brücke konstruieren lassen, oder einen Bäcker eine Herz-OP durchführen, oder einen Bürokaufmann Bremssysteme entwickeln. Bei Software hingegen lässt man jeden Laien an allem rumpfuschen. Paradox.

Natürlich kann auch ein Arzt eine Brücke bauen, die kann auch schön aussehen. Aber Hannibal mit seinen Elephanten würde ich erst drüber schicken, wenn der Arzt auch von Statik eine Ahnung hat. Aber an Software tobt sich jeder Bäcker mit Mehlalergie aus, und dann wundert man sich, wenn Systeme geknackt werden usw. Ich hab nichts gegen Quereinsteiger, die etwas theoretischen Hintergrund haben, aber wenn ich ein "Ingenieursbüro für IT" sehe, der Ingenieur aber nicht aus dem Bereich IT kommt, drehts mir die Zehennägel hoch. Bei jedem anderen Beruf würden andere genau so empfinden, nur bei IT nicht. Ich kann mich ja auch "Diplomierter Fachmann für Herzkranzgefäße" nennen, denn ich bin Fachmann (zwar auf einem anderen Gebiet), hab ein Diplom und Herzkranzgefäße hab ich auch, aber hier würde jeder schreien. Nur bei IT nicht. Ist das nicht seltsam?

Die Neue

Meine alte Eismaschine und ich mussten uns leider nach knapp 25 schönen Jahren voneinander trennen. Seit 2 Wochen habe ich nun eine Neue. Die ist noch ganz jung und verspielt und will ständig beschäftigt werden. Hier einmal "Joghurt-Waldbeer" und einmal "Ahornsirup", aus dem im nächsten Schritt durch reine Magie Walnusseis wurde. Wie der Trick genau funktioniert kann ich nicht verraten, nur soviel: Es hat mit karamelisierten Walnüssen zu tun.

In ewigem Eis

Eis. Kälte und Schnee. Viele Stunden ohne Hoffnung in diesem ewigen Eis gefangen. Ich war erschöpft und müde. "Nur nicht einschlafen! Nur nicht einschlafen!", murmelte ich vor mich hin. Mit blaugefrorenen Fingern bewegte ich mich langsam weiter. Ich war falsch ausgerüstet. Ich hatte keine Handschuhe dabei, das Schuhwerk war spärlich, meine Hose kältedurchlässig und meine Füße bereits durchgefroren. Jede Berührung und jede Bewegung meiner Finger schmerzte. Mit meiner letzten Körperwärme versuchte ich, wenigstens meine Finger vor dem Abfrieren zu schützen und steckte sie einige Minuten in die Achselhöhlen. Langsam spürte ich die Finger wieder ein wenig, doch ich konnte nicht so verharren, ich durfte nicht aufhören mich zu bewegen, die Kälte hätte mich sonst noch voll zu Boden gestreckt. Nur nicht einschlafen! Weiter wühlte ich verzweifelt mit meinen bloßen Händen im puren Eis. Der Schmerz und die Hoffnungslosigkeit trieben mir Tränen in die Augen. Welche Schande würde auf mir lasten, wenn ich ohne Fund zurückkehren würde, andererseits ... welchen Sinn hätte es, hier ehrenvoll zu sterben? Schon wollte ich resignieren und mit letzter Kraft mein Leben retten. Träge, müde und erschöpft übersah ich noch ein letztes Mal das Terrain. Plötzlich sah ich, daß das Eis etwas weiter unten eine andere Färbung bekam. Etwas muß darunter verborgen sein, das ein wenig durchscheint. Hier könnte ich richtig sein. Obwohl ich meine Finger nicht mehr bewegen konnte, buddelte ich weiter. Die Hoffnung trieb mich voran und hielt die letzte kleine Flamme Leben in mir am glühen. Plötzlich spürte ich steifgefrorene Teile eines Körpers, die nicht zu mir gehörten. Was würde mich erwarten, wenn ich weitergraben würde? Die Entdeckerlust trieb mich an. Ich buddelte und buddelte und buddelte. Nach anstrengenden Grabungen konnte ich es langsam bergen. Ich streifte die Eiskristalle ab und betrachtete meinen Fund genau. Ich konnte es kaum glauben, ich hatte Erfolg. Es war mir tatsächlich gelungen. Ich schnappte mir nun diesen Rehrücken, schlug erleichtert die Tiefkühltruhe zu und dachte bei mir: "Die Truhe muß wohl auch mal wieder abgetaut werden!"

verfasst im November 1996, Foto: Barney O´Fair  / pixelio.de

Meine Tasse ist ein regionaler Star

Ja, ich habe es geschafft. Meine Tasse gewann mit den meisten Likes den "Zeigt uns eure Kaffeetasse" Wettbewerb der Stuttgarter Zeitung. Nun ziert meine Tasse für eine Weile die Facebook-Seite der Stuttgarter Zeitung. Und wenn man draufklickt, sieht man auch noch den Esstisch und das Wohnzimmer. Nun ja, kein Anblick den Obama und das NSA nicht eh schon kennten.

Außerdem habe ich damit ein Kilo Bio-Fair-Trade-Kaffee gewonnen. Und da es das erste Mal ist, dass ich irgendwo gewonnen habe, sollte ich mir diesen Tag im Kalender dick einrahmen.

Allen, die für mich gestimmt haben: Vielen Dank!

Vegetarische Reisküchlein

Es muss so Ende der 80er Jahre gewesen sein, als meine Mutter von einem ihrer Patienten drei vegetarische Rezepte bekam. Natürlich hat meine Mutter die Rezepte ausprobiert, und alle in der Familie fanden sie sehr lecker. Die vegetarischen Reisküchlein mochten mein Vater und ich am allerliebsten, so fand dieses Rezept immer mal wieder Einzug in unseren Speiseplan. Als ich vor einigen Wochen die Rezeptesammlung meiner Mutter als Jäger und Sammler durchstöbert habe, fiel es mir wieder in die Hände - und so komme ich das erste Mal seit meinem Auszug zum Studium in den 90ern wieder in den Genuss...


Zutaten

2 Tassen Milchreis
150g geriebener Gouda
100g gemahlene Haselnüsse
20g Haferflocken
2 Eier
1 gewürfelte Zwiebel
gehackte Petersilie
Salz, Pfeffer, Muskat, evtl. Curry


Zubereitung

Den Reis mit 4 Tassen Wasser kochen, danach etwas abkühlen lassen.

Den abgekühlten Reis mit den restlichen Zutaten gut vermengen, Küchlein formen und in der Pfanne braten.

Dazu passen frische Salate, oder auch Grillsaucen.

Endlich Entwarnung

Puh, da bin ich aber erleichtert. Innenminister Friedrich, der sich immer für Überwachung ausgesprochen hat und auch den Bundestrojaner total toll findet, hat gesagt, dass es keine Anhaltspunkte gibt, dass Snowdens Anschuldigungen wahr sind.

Das beruhigt mich total. Aber hätte ich mir auch denken können, dass das alles nicht stimmt. So locker, entspannt und verhältnismäßig wie die USA mit dem Thema umgeht...

Ich glaube eh Politikern alles. Gäbe ja auch kein Grund misstrauisch zu sein. "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten", "Die Rente ist sicher", ...

Saftiger Schoko-Heidelbeer-Kuchen

Als ich vor einigen Jahren meine Mutter besuchte brachte uns eine Bekannte ein paar Stückchen von einem herrlich saftigen Heidelbeerkuchen. Ich war so begeistert, dass ich sie nach dem Rezept fragte, welches sie mir auf einen kleinen Zettel schrieb. Eben jener Zettel fiel mir gestern wieder in die Hände, was für mich Grund genug war, das Rezept einmal selbst auszuprobieren.


Zutaten

300 g Heidelbeeren (frisch oder gefroren)
200 g Zartbitterschokolade
150 g gemahlene Mandeln
120 g Butter oder Margarine
200 g Puderzucker
5 Eier
2 EL Mehl
1 EL. Zucker


Zubereitung

200g Zartbitterschokolade im Wasserbad schmelzen.

In einer Schüssel 120g Butter oder Margarine, 200g Puderzucker und 5 Eigelb schaumig rühren. Danach 150g gemahlene Mandeln, 2 EL Mehl und die flüssige Schokolade unterrühren.

5 Eiweiß sehr steif schlagen und unter den Teig heben.

Den Teig in eine mit Backpapier ausgelegte Kuchenform füllen. 200g Heidelbeeren auf dem Teig verteilen.

Im auf 190 Grad vorgeheizten Backofen für 30 Minuten backen.

100g Heidelbeeren und 1 EL Zucker auf den halb gebackenen Kuchen geben und weitere 10 bis 15 Minuten weiterbacken.

Liebe Fernsehintendanten ...

Liebe Fernsehintendanten, kennt ihr eigentlich noch diese Dinger da, na, diese, äähhh... Ach, das was früher so im Fernsehn lief. Diese... na, gleich fällt's mir wieder ein. Ja, "Filme"? Kennt ihr das noch? Warum zeigt ihr nicht mal sowas? Ich will keine Billigproduktionen sehen, in denen zum hundertausendsten Mal eine krebskranke verwitwete Frau, die bei ihren Stiefeltern aufgewachsen ist und vom Vater im Kloster mit dem Lehrer missbraucht wurde, während sie halbseitig gelähmt wurde und dabei erblindete, die nun von ihrem neuen Ehemann geschlagen und verlassen wurde und sich allein durchs Leben schlägt, während ihre schwangere, drogensüchtige, arbeitslose Tochter entfürt wurde. Sowas gab's schon mal. Auch will ich nicht zum millionsten Mal "Impressionen aus Zürzelhof-Neugebauren an der Springsel" zur Prime-Time, genausowenig wie diesen im Auge brennenden Soap-Durchfall, diese langweiligen Quizshows oder dieses dumpfe "Reality TV" das so viel mit Realität zu tun hat wie ein fliegendes Einhorn in Atlantis. Ich weiß, ihr habt "von oben" den Auftrag uns dumm zu halten. Aber bitte doch nicht so offensichtlich.

Rotes Gold

Welch Entzücken ist es doch, wenn man die ersten eigenen Tomaten auf dem Balkon ernten kann. Und das nach diesem kalten Wetter. Man traut es sich fast kaum, die zarten Früchte abzupflücken ...

Der Skandal, der komischerweise niemanden erregt

Wäre bekannt geworden, dass z.B. die Türkei die EU und vor allem Deutschland in großem Stil belauscht, die Abgeordneten überwacht, das ganze Volk ohne rechtliche Grundlage ausspioniert, wäre der Aufschrei fürchterlich. Merkel hätte Erdogan mit scharfen Worten deutlich zu verstehen gegeben, dass dies keinesfalls tolerierbar sei. Sie hätte verlangt, dass dies sofort eingestellt wird. Man hätte gesagt, dass die Türkei Menschenrechte wie die informelle Selbstbestimmung, das Post- und Fernmeldegeheimnis, usw. mißachtet und daher weit von einer echten Demokratie entfernt wäre. Das komplette konservative Establishment hätte sich die scheinheiligsten Aussagen zu Menschenrechten, Demokratie, Freiheit nicht verkneifen können. Es wäre ein schwerwiegender Skandal, bei dem der "demokratische freie Westen" betroffen mit dem Finger auf die bösen Überwacher zeigen würde. Die diplomatischen Beziehungen wären schwer belastet. Das Vertrauen für lange Zeit zerstört.

Aber natürlich macht die Türkei soetwas nicht. Nein, das machen unsere Freunde von den USA und aus Großbritannien. Ich bin ein großer Freund der USA, ich liebe das Land und die Leute. Aber leider verhalten sich die USA nicht wie ein Freund. Die USA überwachen im großen Stil die EU, die Büros der Abgeordneten sind verwanzt, die Telefonate, E-Mails, Chats mitgelesen. Die Daten von Millionen von EU-Bürgern (und da vor allem auch noch von den Deutschen) wurden mitgeschnitten, aufgezeichnet, ausgewertet. Die USA, die sich gerne als das Mutterland der Demokratie versteht und ihre Kriege im Namen der Freiheit und der Demokratie führt, tritt eben jene Menschenrechte mit Füßen, schert sich einen Dreck um unsere bürgerlichen Freiheitsrechte.

Ein Skandal sondersgleichen. Und wer regt sich hierzulande darüber auf? Wer? Freiwillige vor? Was, wirklich niemand? Ist es unseren Regierungen total egal, wenn derartig massiv in unsere Grundrechte eingegriffen wird? Wieso wird hier nicht mit selbem Maß gemessen? Merkel ist bekannt dafür, dass sie z.B. mit Putin auch mal kritische Töne anschlägt wenn in Russland Menschenrechte mißachtet werden. Wieso schlägt sie diesen Ton nicht auch mit Obama an? Wieso wird der amerikanische Botschafter nicht vorbestellt und zusammengeschissen? Ja, wieso?

Und wer hat dies alles ans Licht gebracht? Edward Snowden - derzeit einer der meistgesuchten Menschen der Welt. Doch weshalb wird er gesucht? Was hat er verbrochen? Er hat das massive Missachten von Menschenrechten publik gemacht. Er hat der EU gezeigt, dass sie massiv von den USA bespitzelt wird. Das wird ihm zur Last gelegt. Zusammengefasst heißt dies also, dass das Bespitzeln, das Missachten unserer Freiheitsrechte ok ist - aber wehe es redet jemand darüber.

Wie sang schon Reinhard Mey in "Sei wachsam" (generell ein sehr gutes Lied):

Doch sag die Wahrheit und Du hast bald nichts mehr zu Lachen,
Sie wer'n Dich ruinier'n, exikutier'n und mundtot machen,
Erpressen, bestechen, versuchen Dich zu kaufen.
Wenn Du die Wahrheit sagst, laß draußen den Motor laufen,
Dann sag' sie laut und schnell, denn das Sprichwort lehrt,
Wer die Wahrheit sagt braucht ein verdammt schnelles Pferd!

Wenn "Mutti" nur ein wenig Rückgrat hätte, wenn ihre Ermahnungen an Putin nicht nur leere Worte wären, würde sie dafür sorgen, dass Snowden in Deutschland Asyl bekommt. Eigentlich sollte die ganze EU dafür sorgen - das wäre ein Zeichen für Menschenrechte. Aber für Menschenrechte ist man hier im demokratischen Westen nur, wenn man andere kritisiert.

Snowden hätte sein Wissen für viel Geld an den chinesischen Geheimdienst verkaufen können. Doch er tat es nicht. Seine ganze Aktion war nicht für persönliche Vorteile, sondern weil er das Bedürfnis hatte, dieses Unrecht bekannt zu machen. Er wußte, dass sich sein Leben danach ändern wird. Doch er tat es. Er tat es für uns.

Doch statt ihm zu danken, statt Aufklärung von den USA zu fordern, wird Snowden kritisiert, weil er nach Ecuador flüchten will. Was bleibt ihm denn für eine andere Chance? Wenn die "freie Welt" sich nicht an ihre eigenen Spielregeln hält bleibt ihm ja keine andere Möglichkeit.

Von vielen wird angeführt, die Überwachung sei notwendig um Terror zu verhindern. Und ich bin ganz ausdrücklich gegen jede Art von Terror und jegliche andere Form von Gewalt. Aber Überwachung von unschuldigen, unverdächtigen Bürgern ist Unrecht und bringt auch für die Terrorverhinderung nichts. Glauben Sie nicht? Wieso waren dann die Anschläge auf den Boston Marathon möglich? Auf die Londoner U-Bahn? In Wahrheit ist dieses Argument ungültig. Überwachung unschuldiger Menschen ist falsch. Unter jeden Umständen. Denn

Diejenigen, die bereit sind grundlegende Freiheiten aufzugeben, um ein wenig kurzfristige Sicherheit zu erlangen, verdienen weder Freiheit noch Sicherheit.
-- Benjamin Franklin

Bittere Budgetverluste bei banalen Besuchen bedeutender Buchhandlungen

Als ein Blick auf den Kalender erkennen ließ, daß ich noch am selben Abend auf eine Geburtstagsparty einer guten Freundin eingeladen war und sich das Geschenkekaufen nicht mehr länger hinauszögern ließ, war ich nun doch gezwungen, mir so langsam über ein Geschenk klar zu werden. Da ich im Bezug auf Geschenke nicht unbedingt der begnadete Ideenlieferant bin, alle meine Freunde würden diese Aussage ohne zu zögern kräftig nickend bestätigen, pflege ich immer, bis zum letzten Moment die Sache vor mir herzuschieben. Wer weiss, vielleicht fällt mir ja auch mal noch was ein. Und da ich bei dieser Freundin mein Not-Reporteure, welches aus Douglas-Gutscheinen, Kino- oder Essensgutscheinen besteht, schon aufs Äußerste strapaziert hatte, mußte ich mir nun ernstlich Gedanken machen.

Mein planloses Irren durch die Innenstadt auf der Pirsch nach einem Geschenk führte mich in einen Buchladen. Eigentlich fand ich diese Idee nicht schlecht, vielleicht finde ich etwas passendes für sie. Nur habe ich in Buchläden immer das Problem, daß ich auch viel passendes für mich finde. So schwor ich mir bei irgend etwas mir sehr wichtigem (was es genau war, habe ich vergessen), daß ich für mich unter keinen wie auch immer gearteten Umständen ein Buch kaufen werde. Ich betrat den Laden und sah gleich am Eingang auf einem Tisch in einer Sonderaktion schöne Kunstbücher. Zwei Exemplare haben es mir sofort angetan. Das eine war eine Kunstsammlung von Monet, dessen Bilder mir schon immer gefallen haben, und das andere Buch war mit Kunstwerken von Rosina Wachtmeister. Da meine Freundin sich darüber wahrscheinlich nicht absonderlich freuen würde, nahm ich drei Bände für mich mit.

So würde ich nicht weiterkommen, dachte ich bei mir. Ich machte mir Gedanken, was meiner Bekannten wohl gefallen könnte. Ich ging zu den Cartoons. Ich mag nämlich den bissigen Humor, den einige Cartoonisten in ihren Werken zeigen.

Uli Stein hat ein neues Buch herausgebracht. Ich kannte es noch nicht. Dieser Mißstand muß selbstverständlich behoben werden. Da aber nur noch ein Exemplar vorhanden war, mußte ich für sie wohl doch ein anderes Buch suchen.

Eine freundliche Verkäuferin fragte, ob sie mir helfen könne. Ich verneinte und ging eine Treppe nach oben. Zufällig stieß ich an einen Tisch, auf dem einige Horrorbücher ausgestellt waren. "Hmmm!" dachte ich, "das wäre wohl was." Sie erzählt nämlich oft - und wenn ich sage oft, dann meine ich eigentlich zu oft. Viel zu oft - von solchen Büchern. Ich blätterte gedankenverloren im Buch umher. Als Dr. Leadbeader die Schädeldecke entfernt hatte, quoll ein drittes zuckendes Auge aus der klaffenden Wunde. Er legte mit dem Skalpell das Auge frei und Fingernägel und Zähne kamen im Gewebe zum Vorschein. Ich legte das Buch zur Seite. Ich kann an sowas keinen Spaß finden. Nun gut, ich bin ein weltoffener Mensch. Ich las noch einige Klappentexte, aber nachdem sich eine aufgebogene Büroklammer im Auge eines Superhelden wiederfand, der von drei Männern malträtiert wurde, mußte ich mir eingestehen, daß mir zu dieser Art von Literatur ein wenig der Zugang fehlt. Aber ich dachte, hier würde ich wohl am ehesten etwas passendes finden. Nach einer Stunde kam noch einmal die freundliche Verkäuferin, wieder schickte ich sie weg. Nachdem ich die Ordnung auf dem Tisch etwas meinem Ordnungssinn angepaßt hatte, beschloß ich, daß solche Bücher nicht gut für die Entwicklung eines Menschen sein können, und ich ging ein paar Regale weiter. Ich kam an den Kochbüchern vorbei, verweilte aber nur unterdurchschnittlich lange dort, weil sie nicht gerne kocht. Als ich auf dem Weg zu den Romanen bei den Bastelbüchern vorbei kam, stach mir ein preiswertes Origamibuch in die Augen. Ich ließ es aber liegen. Zumindest für fünf Minuten. Da sich meine Gedanken aber immer um das Mysterium der Papierfalttechnik drehten, konnte ich mich nicht richtig auf die Romane besinnen, und die ersten Beiden, die ich noch für mich mitnahm, konnte ich gar nicht intensiv begutachten. Aber die Autorin ist gut. Danach befand sich plötzlich auch noch das Bastelbuch auf meinem Arm. Ich war froh, daß ich es mitgenommen hatte. Ich hätte mich nur geärgert, wenn ich es liegen gelassen hätte.

Ein weiteres Mal suchte mich die freundliche Verkäuferin heim, die nun in der Zwischenzeit Mühe hatte, ihre freundliche Maske zu waren. Das Reorganisieren des Horrortisches hatte ihrer Laune stark zugesetzt, nachdem diese schon durch den Kunsttisch etwas in Mitleidenschaft gezogen worden war.

So langsam mußte ich aber auch zu Potte kommen, denn das spanische Backbuch drückte mir zu sehr gegen mein Handgelenk und ich hatte auch Mühe, die vier Bände der "Chronik dieses Jahrhunderts" auf meinem Bücherstapel zu balancieren.

Meine Augen glitten an den Regalen entlang, und als sich Titel wie "Aussöhnung mit dem inneren Kind", "Perlen der Baghavadgita" oder "Praxisbuch des magischen Wohnens" häuften, bemerkte ich, daß ich in die Esoterikabteilung abgeglitten bin. Da ich von der ganzen Sache nicht unbedingt viel halte, nahm ich nur "Das Magische Wissen vom Mond" und "Das Tao der ganzheitlichen Selbstheilung" mit. Diese Bücher sind bestimmt nicht schlecht, sie sind mir nämlich von einer anderen Kundin empfohlen worden. Oder sagen wir mal, ich sah das Leuchten in ihren Augen, als sie diese beiden Bücher gefunden hatte. Ein Gespräch fand eigentlich nicht statt, aber ich vertraute auf ihren Geschmack. Es war nicht sehr einfach, diese beiden Bücher zu bekommen, da sie selbst die beiden letzten Exemplare schon in ihren Armen hatte. Nachdem ich sie aber nicht mit Worten überzeugen konnte, mir die Bücher friedlich zu überlassen, mußte ich zu härteren Mitteln greifen. Als sie zu Boden stürzte und durch die Hiebe mit dem "Bebilderten Atlas der Erde" geschwächt war, konnte sie ihre Verteidigung mit der Enzyklopädie nicht aufrecht erhalten, und ich schnappte mir die beiden Bücher und wechselte das Stockwerk um ihren Beschimpfungen aus dem Wege zu gehen. Sooo wahnsinnig ausgeglichen scheinen diese Esoterikjünger auch nicht zu sein...

Ich empfand es als sinnvoll, meine Bücher neben dem frisch sortierten Horrortisch zwischzulagern. Die Verkäuferin (das Wort "freundlich" wäre hier in der Zwischenzeit fehl am Platze) rollte mit den Augen und herrschte mich an, ich solle diese Stapel doch bitte wieder in die Regale räumen, es sei eine Unverschämtheit, ihr diese Arbeit zuzumuten. Ich entgegnete, daß es nach meinem Empfinden äußerst unpraktisch erscheint, Bücher zurück in die Regale zu stellen, die man gerne erwerben möchte. Sie fragte etwas ungläubig, ob ich wirklich beabsichtigen würde, alle diese Bücher zu kaufen. Sie überschlug die Summe im Kopf, nachdem ich ihre Frage bejaht hatte, und just in diesem Augenblick kehrte auch wieder diese Freundlichkeit zurück. Sie brachte mir noch einen Kaffee und einen Stuhl. Ich fand aber nicht mehr viele interessante Bücher, und auch der Druck, endlich ein Geschenk finden zu müssen, störte etwas meine Ruhe, so daß ich meine gemütlich eingerichtete Ecke im Buchladen schon nach drei weiteren Stunden verließ.

An der Kasse sah ich eine andere Kundin, die ein Geschenk für ihre Tochter kaufte. Ich nahm das gleiche. Mit einem Gutschein kann man am wenigsten falsch machen. Ich konnte mich mit der Buchhändlerin auf neunzehn Monatsraten und Transport meiner Ware mit einer Spedition zu Lasten der Buchhandlung einigen und verließ glücklich den Laden. Am nächsten Tag schloß dieser Buchladen und die Verkäuferin setzte sich mit ihren restlichen Büchern, die sie in ihrer Handtasche transportierte, nach Teneriffa ab. Ich denke oft an sie, wenn ich den Teneriffa-Reiseführer durchblättere, den ich im Erdgeschoß der Buchhandlung bei den Kalendern gefunden hatte...

Sobad ich meinen Buchbestand wieder veräußert habe, werde ich ihr folgen...

Verfasst im Oktober 1997, Foto: manfred walker  / pixelio.de

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